Die stärkste Naturfaser der Welt "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ein Reicher in den Himmel" - folgen wir diesem berühmten Jesuswort in der Übersetzung von Luther, dann war Jesus so etwas wie ein Surrealist. Kamele, die durch Nadelöhre gehen, erwarten wir eigentlich eher auf den Bildern eines Dalí als in der Heiligen Schrift. Tatsächlich wurden mit Kamelos, wie es in der griechischen Vorlage von Luthers Übersetzung heißt, keine Tiere, sondern die Seile aus Cannabis bezeichnet, mit denen die griechische Flotte vertaut war. "Eher geht ein Hanftau durch ein Nadelöhr..." - das Bibelwort greift also zu einem ganz alltäglichen Vergleich - und die Korrektur von Luthers Übersetzungsfehler bringt ein verborgenes Stück Hanfgeschichte an den Tag. Außer im griechischen Kamelos steckt Cannabis auch in dem bis heute gebräuchlichen englischen Wort für Leinwand - Canvas - und eben solchen Canvas benutzte auch der nach San Francisco ausgewanderte fränkische Schneider Levi Strauss für seine 1873 patentierte Nietenhose - die erste Jeans. Kein anderes Material hätte die auf dem Warenzeichen der Firma dargestellte Zerreißprobe - zwei Pferde versuchen, eine Hose auseinanderzuziehen - ausgehalten, außer dem unverwüstlichen Segeltuch aus Hanf, das Strauss benutze. Für seine Kunden, die oft im Wasser arbeitenden Goldwäscher, war aber nicht nur die Reißfestigkeit ihrer Arbeitshose interessant, anders als alle anderen Fasern konnte Hanfgewebe ein Vielfaches seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen, ohne Schaden zu leiden und zu verrotten. Diese "Naßfestigkeit" der Hanffaser war vor dem Siegeszug der Kunstfasern absolut einzigartig und machte Cannabis zum unverzichtbaren Rohstoff. Nicht nur für robuste Bekleidung und Uniformen, Planen und Zelte, sondern vor allem für alle maritimen Zwecke: für Seile und Segel eines einzigen Großseglers wurden über 60 Tonnen Hanffasern benötigt. "Dampf statt Segel" und "Nylon statt Leinenhemden"... ...so könnte man in Kurzfassung den Niedergang der Märkte für Hanffasern beschreiben: billige Importbaumwolle für Bekleidung, billige Ersatzfasern aus den Kolonien wie Jute und Sisal und seit den 1930er Jahren die Kunstfasern, machten der angestammten Textilfaser Hanf die Märkte streitig. Ähnlich verlief die Entwicklung auf dem Markt für Papier, wo Hanffasern Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen neuen, scheinbar kostenlosen Rohstoff ersetzt wurden: Wald. Durch neue Maschinen zum Schreddern von Bäumen und Chemikalien zur Leimung wurde die im Vergleich zu Hanf minderwertige Holzfaser zum bevorzugten Papierrohstoff. Dass Hanf auf derselben Fläche 4-5 mal soviel Papier liefert wie ein Wald spielte zu dieser Zeit eine untergeordnete Rolle, die Bäume wuchsen ja von selbst und mussten nur geschlagen werden - seit aber in jüngerer Zeit die klimatischen Konsequenzen eines Kahlschlags des Planeten bewusst geworden sind, könnte Hanf einmal mehr zu einem Retter in der Not werden. Ökonomisch wieder wettbewerbsfähig wird die Hanffaser für Papier aber erst, wenn die ökologischen Schäden, die der Kahlschlag von Regenwäldern verursacht, in die Rechnung für Holzpapier eingeht. Dasselbe gilt für die Textilien aus Baumwolle: 50% aller Pestizide werden in einem Anbauland wie den USA allein für Baumwolle verbraucht. Solange die dramatischen Schäden, die dieser Gifteinsatz verursacht, nicht in die Preise für die "billigen" Cotton-T-Shirts eingehen - solange müssen Hanf-Textilien, für deren Anbau keinerlei Pestizide eingesetzt werden, ein "hochpreisiges" Nischenprodukt bleiben. Als technische Faser - im Dämmstoffbereich und im Automobilbau, ebenso wie für Spezialpapiere (Zigarettenpapier) - hat sich Hanf seine angestammten Märkte aber schon wieder zurückerobert. Selbst auf Jeans, T-Shirts und Hemden aus Hanf - obwohl doppelt so teuer wie Baumwollware - möchten viele Benutzerinnen und Benutzer nicht mehr verzichten. Sie kommen giftfrei auf die Haut und verfügen wegen der perfekten Feuchtigkeitsregulierung der Faser über einzigartige Trageeigenschaften: "Cool when it's hot, hot when it's not." © HempAge AG